Folge 5

Kulturschock & Umgekehrter Kulturschock
 von  | Mai 06, 2020 | Podcast | 0 Kommentare

 

Wie und wann erleben digitale Nomaden Kulturschock? Was ist Kulturschock eigentlich? Wie gehen wir und unsere Klienten und Freunde damit um? 

In der heutigen Folge widmen wir uns dem Thema Kulturschock, sowohl dem Kulturschock in der Ferne als auch dem umgekehrten Kulturschock, wenn man zurück nach Deutschland kommt. Wir reden über die kleinen und die großen Kulturschock-Momente in unserem Leben und darüber, wie man am besten damit umgehen kann. 

Und wir diskutieren die Frage, ob digitale Nomaden eigentlich vor allem deshalb so viel reisen um möglichst immer in der Honeymoon Phase der kulturellen Anpassung zu bleiben.

Transkript der 5. Folge

00:00:02

Carolin: Mit Psychologie und Laptop

 

00:00:06

Sonia: um die Welt. Ein Podcast von und mit Sonia und

 

00:00:09

Carolin: Carolin. Zusammen haben wir einige Titel zu bieten.

 

00:00:13

beide: Diplom-Psychologin

 

00:00:14

Sonia: Psychologische Psychotherapeutin

 

00:00:16

Carolin: Buddhistische Therapeutin und Autorin.

 

00:00:19

Sonia: Ach ja und einen Doktortitel hab ich auch noch.

 

00:00:22

Carolin: Als digitale Nomadinnen beraten wir unsere Klienten statt ganz klassisch in einer Praxis über die weiten Welten des Internets

 

00:00:30

Sonia: Und erkunden dabei seit vielen Jahren unsere wunderbare Welt. Immer mit dabei unser Laptop

 

00:00:35

Carolin: Und natürlich die Psychologie.

 

00:00:45

Carolin: Ich könnte das nicht, Also das muss doch ganz anders und ganz schwierig sein Wie findest du dich überhaupt in anderen Kulturen zurecht?

 

00:00:52

Sonia: Gute Frage. Genau darüber wollen wir in der heutigen Folge reden, und zwar genau genommen über Kulturschock und wie wir selber den erlebt haben, was das überhaupt ist und wie digitale Nomaden damit umgehen, dass man ständig in fremden Kulturen unterwegs ist und vielleicht auch den einen oder anderen Schock erlebt.

 

00:01:08

Carolin: Ja, und manchmal erlebt man den einen oder anderen Schock, auch wenn man wieder nach Hause kommt, in die eigene Kultur.

 

00:01:13

Sonia: Auch darüber werden wir heute reden.

 

00:01:15

Carolin: Also was ist denn Kulturschock eigentlich? Hast du das schon mal erlebt? Ganz persönliche was ist deine Erfahrung.

 

00:01:21

Sonia: Ich habe viele kleine Momente des Kulturschock auf jeden Fall erlebt oder der Überraschung und des Fremdseins und so. Aber wenn man sich genau anguckt, so wissenschafltlich was ist denn ein Kulturschock, dann gibt’s dazu tatsächlich relativ viel und schon alte Überlegungen und Untersuchungen. Und ganz viele unterschiedliche Ideen darüber, was es eigentlich ist. Aber die eine, die so ein bisschen sich durchgesetzt hat oder die relativ etabliert ist, sind die verschiedenen Phasen des Kulturschocks und der kulturellen Anpassung nach Hofstede. Und die besagen, dass man eigentlich, wenn man in ein neues Land zieht oder irgendwohin in die Fremde kommt, dass man meistens anfängt mit einer sehr schönen Phase der Euphorie, einer sogenannten Honeymoon Phase, wo man man ha sich auf das neue Land gefreut. Man erlebt viele spannende neue Eindrücke. Alles ist schön, so die Flitterwochen, sozusagen in der fremden Kultur. Und dann, aber irgendwann setzen bei den allermeisten Menschen die Schwierigkeiten ein. Der Kulturschock, die ständigen Herausforderungen, das Fremdsein, das Anderssein wird irgendwann so zum Problem. Das was vielleicht vorher noch ganz süß und nett, und anders war und ganz belustigt wahrgenommen wurde, wird plötzlich zur richtig großen Herausforderungen. Ich kenne das von meinen Klienten und von Freunden, dass das so weit gehen kann, dass man nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu verlassen, weil draußen alles so anders ist und so schwer ist, dass man nicht mehr in der Lage ist, einfach nur ein Telefonat zu führen oder die einfachsten Dinge durchzuführen. Es ist allerdings auch so, dass die allermeisten Menschen sich nach und nach dann anpassen und bestimmte Schritte gehen, um wieder da rauszukommen aus diesem tiefen Loch. Und dann mit etwas Glück sich auch in einem relativ zufriedenen Level stabilisieren. Meine Klienten sind häufig Expats, die alle paar Jahre umziehen, immer wieder neue Länder. Und im Prinzip fängt diese Phase und dieser Ablauf dieser vier Phasen mit jedem neuen Umzug wieder neu an. Es gibt die Euphorie, die Vorbereitung, die der erste Beginn dort, wo es alles schön und toll ist, diese Honeymoon Phase sozusagen. Irgendwann kommt der Kulturschock. Langsam gewöhnt man sich wieder daran, passt sich an und stabilisiert sich dann auf einem mehrkulturellen, multikulturellen Level. Wenn alles gut läuft. Das ist allerdings auch die Phase mit einem Kulturschock, wo sich dann viele bei mir melden, um dann die Online-Beratung in Anspruch zu nehmen. Weil sich dann die Frage stellt Ist das vielleicht doch alles zu schwer? Kann ich das eigentlich gar nicht? Muss ich vielleicht doch wieder nach Hause zurückziehen oder vielleicht irgendwo Neues hin? Brauche ich vielleicht den nächsten Umzug, um diese Probleme zu lösen? Und wie wir glaube ich beide ganz gut wissen man kann vor seinem Problem ja doch nicht wirklich davonlaufen Carolin

 

00:04:00

Carolin: Ja, Probleme brauchen kein Visa,

 

00:04:04

Sonia: und insofern ist das tatsächlich ein ganz spannendes Thema. Natürlich auch gerade unter digitalen Nomaden. Denn um die geht es ja hier nochmal besonders. Freunde von mir, denen ich dieses Modell mal erklärt habe. Die haben dann gewitzelt, dass wir als digitale Nomaden ja eigentlich nur in der Flitterwochen Phase bleiben, oder, Carolin?

 

00:04:23

Carolin: Ganz so glaube ich das nicht, aber wir haben es mit Sicherheit leichter als die Expats. Ich würde auch sagen, dass, wenn ich irgendwo anders hin komme, dass ich im ersten Moment eine Hochphase habe, die ganzen Unterschiede unglaublich zu schätzen weiß und manchmal auch sehr über Sachen, die ich irgendwie bizarr finde lache. Aber je mehr man in eine Gesellschaft eintaucht und je länger man bleibt, desto mehr sieht man natürlich auch die Schwierigkeiten. Aber wir haben als digitale Nomaden natürlich den entscheidenden Vorteil, dass wir nie in dem Maß an einer Gesellschaft teilnehmen, wie es Expats zum Beispiel tun. Wir müssen kein Bankkonto eröffnen, oder wir müssen uns nicht mit der Bürokratie des jeweiligen Landes auseinandersetzen. Und das ist, glaube ich, das, was es für uns immer noch so ein bisschen einfacher macht. Warum vielleicht auch die Honeymoonphase ein bisschen länger anhält.

 

00:05:08

Sonia: Das stimmt. Und ich glaube, dazu kommt dann noch, dass wir ja typischerweise online arbeiten mit den Klienten, mit denen wir auch sonst arbeiten. Das heißt, das bleibt konstant. Wir arbeiten beide viel mit Deutschen zusammen, egal, wo sie auf der Welt leben. Das heißt da ist ein gemeinsamer Kultur, kultureller Hintergrund und kulturelles Verständnis vorhanden. Was vielleicht nicht unbedingt der Fall wäre, wenn wir mit einem Inder oder einem Neuseeländer arbeiten würden. Ich hatte jetzt 2019 das Glück und die Herausforderung, in Neuseeland vor Ort relativ viele Workshops und Vorträge zu halten. Und das war ein tatsächlich ganz spannender Kulturschockmoment. Denn so sehr uns die Neuseeländer oberflächlich doch recht ähnlich sind, auch sehr westlich, sehr entwickeltes Land, natürlich sehr modern englischsprachig, ist erst mal relativ leicht natürlich mit den Leuten klarzukommen. Und doch stellt sich dann heraus, dass die doch ein bisschen anders ticken als wir Deutschen. Das dieses, was man als Tourist vielleicht auch sehr schön findet, dort dieses entspannte laid back und ein bisschen chill ist das, wenn man mit denen zusammenarbeiten möchte, auch mal problematisch sein kann, denn da passiert sehr viel dann doch, so last-minute. Das heißt, wenn man sagt, ich möchte gern wissen, wann ich denn nächste Woche meinen Vortrag halte, dann kann es auch mal passieren, dass der erst am Tag vorher wirklich entschieden wird oder dass der Vertrag auch erst so noch einmal kurz verändert wird oder so und das ist natürlich dann schon eine kleine Herausforderung, wenn man so mit seiner deutschen europäischen Mentalität, da vielleicht rankommt. Ein andere kleine Momente des kulturellen Unterschieds den dort erlebt habe, ist wenn man einen Vortrag hält, dann haben wir ja, wenn man in Deutschland einen Vortrag hält oder vielleicht in anderen Ländern, eine gewisse Erwartung, wie das Publikum so reagiert. Wir haben bestimmte, vielleicht Witze in unserem Vortrag oder bestimmte Arten, einen Vortrag zu halten, wo wir eine Erwartung haben, wie das Publikum reagieren wird. Und meine Vorträge habe ich vor ganz unterschiedlichen Publikum gehalten. Ganz viele, ganz viele waren Expats und Ausländer. Und wenn man einen Vortrag vor einer Gruppe Italiener hält, ist es doch ein bisschen anders, als wenn man Vortrag von einer Gruppe Neuseeländer hält. Und bei den Neuseeländern wurde ich zum Glück vorgewarnt, dass die nämlich dazu neigen, gar nicht so richtig nonverbal zu reagieren, wenn man einen Vortrag hält. Das heißt, die sitzen da so ganz stumm da, mit so ausdruckslosem Gesicht, während ich da mich vorne irgendwie abrakere und abhample und gefühlt mal netten Witz und netten Kommentar bringe. Und da kommt kaum eine Reaktion darauf. Allerdings ist dann nach dem Vortrag so, dass sich alle total begeistert zu einem kommen und Fragen stellen und interagieren. Es ist nicht so, dass die gar nicht interessiert waren an dem Vortrag, sondern es ist tatsächlich ein kultureller Unterschied, dass die einfach anders da sitzen und zuhören. Und wenn man das vorher weiß, wie ich in diesem Fall zum Glück, dann kann man sich darauf ein bisschen einstellen. Hätte ich das nicht gewusst, glaube ich, wäre ich da ganz schön ins Selbstzweifeln gekommen während des Vortrags.

 

00:08:01

Carolin: Ja das ist ein wichtiger Punkt, auch zu schauen, wie interpretiert man solche Sachen dann? Aus unserer Sicht wäre es zum Beispiel etwas, was ja na ja nicht unhöflich ist. Aber es ist einfach schwierig für uns, und du hast gesagt, du würde es dann ins Selbstzweifeln. Ich erinner mich mich auch an Situationen, als ich in Indien waren. In Indien ist es sehr viel, dass die Leute unglaublich viel am Mobiltelefon sind. Und das empfinde ich als Deutscher als unhöflich, wenn jemand mit mir irgendwo essen geht und die ganze Zeit irgendwie in den sozialen Netzwerken rumhängt. Und das ist für meine Freunde in Indien aber vollkommen normal und einfach nur mal darüber zu sprechen. Wie unterschiedlich die Ansichten da sind und dementsprechend möglicherweise, sich auch nicht auf den Schlips getreten zu fühlen.

 

00:08:44

Sonia: Was hatte dich denn bisher am meisten überrascht Carolin?

 

00:08:47

Carolin: Das ist eine sehr gute Frage. Vielleicht ist es erst mal wichtig zu wissen, in welchen Ländern ich war, um so eine Idee zu haben. Ich war bisher auch viel in westlichen Ländern unterwegs. Aber ich suche auch eigentlich immer wieder andere Kulturen auf. Ich habe viel Zeit in Ländern verbracht, die gerade eine andere Sichtweise haben als der typische Westen. Ich war ein halbes Jahr in Lateinamerika. Ich habe viel Zeit in Tunesien verbracht und habe über ein Jahr in Indien gelebt, vor allen Dingen für die Ausbildung als buddhistische Therapeutin und die letzten zweieinhalb Jahre viel Zeit in Südostasien verbracht. Und mit Sicherheit gibt es immer mal so Dinge, die mich überraschen, mit denen ich nicht rechne wie beispielsweise die ganzen Kühe in Indien oder dass man Hundefleisch in Vietnam isst so Sachen, die ich unglaublich bizarr finde. Aber. Im Allgemeinen muss ich sagen, dass sich diese unterschiedlichen Kulturen vor allen Dingen auch für die Arbeit als Psychologin als unglaublich wertvoll empfinde. Mich interessieren meistens gar nicht mal so die Dinge, die ich so sehr schockend empfinde, sondern diese Dinge, die in jeder Kultur ganz universell sind, so Sachen wie Freundschaft, Liebe, der Tod. Diese Themen, mit der sich jede Gesellschaft beschäftigt, aber auf eine ganz unterschiedliche Art und Weise. Diese unterschiedliche Herangehensweise ist dann auch etwas, was ich in mein persönliches Leben mit einbinde, aber auch in die Arbeit mit den Klienten. Es passiert natürlich häufiger, dass Leute kommen, die Beziehungsprobleme haben oder Angst vor dem Tod oder einfach so generelle Schwierigkeiten in der eigenen Kultur mit bestimmten Themen. Nehmen wir mal zum Beispiel das Thema Liebe, zum Beispiel, wie es in unterschiedlichen Kulturen gesehen wird. Bei uns ist es so der Partner, der alles irgendwie verkörpern muss, der Companion der beste Freund, der der meine Geheimnisse versteht, und mein Liebhaber. Und was der Partner alles so für Rollen hat. Und in anderen Kulturen ist das anders. Eben vor allen Dingen in Indien. Da ist eher so eine Rolle, die geliebt wird. Und es gibt eine ganz andere Theorie der Liebe, sag ich mal. Und ich finde halt, dass diese unterschiedlichen Kulturen da meinen Horizont unglaublich erweitern und mir auch manchmal vor Augen führen, dass meine eigene Kultur mich doch in meinen Sichtweisen manchmal sehr limitiert. Und wenn ich das dann auch in Klientengespräche mit einbringen kann, ist das für viele überhaupt erst mal so ein Augen öffnen, und man kann die ganze Sache ja auch doch noch einmal anders sehen. Selbst auf den ersten Blick nicht natürlich vorkommt, ist es etwas, was doch den Fokus so ein bisschen öffnen kann. Und man merkt, man kann Sachen möglicherweise auch anders machen?

 

00:11:30

Sonia: Absolut, ja. Ich sag gerne mal, dass mein größter Kulturschockmoment eigentlich war, als ich aus meiner französischen Community in München, in der ich aufgewachsen bin, dann zum Studium von der ZVS nach Chemnitz geschickt wurde, und ich möchte gar nicht über Chemnitz schimpfen, denn ich fand es tatsächlich eine ganz tolle Zeit und eine ganz tolle Stadt. Aber natürlich war das kulturell doch ein ganz schön großer Unterschied, sowohl von München nach Chemnitz als auch das Französische und Interkulturelle Mehrsprachige. Dann nach Chemnitz zu kommen, da waren schon viele kleine, kleinere und größere Kulturschockmomente für mich dabei. Insofern ist Kulturschock natürlich auch nicht nur etwas, was man in fremden Ländern erleben kann, sondern natürlich auch etwas, was man in der eigenen Kultur erleben kann. Was ich zum Beispiel auch total spannend finde Ich habe relativ viele Klienten, die Ausländer sind, die in Deutschland leben und die dann deshalb zu mir kommen, weil sie vielleicht schon versucht haben, vor Ort zu einem Psychologen oder Therapeuten zu gehen, und das Gefühl hatten, dass die, die so gar nicht verstehen, dass ganz viele ihrer Schwierigkeiten gar nicht deshalb entstehen, weil die wirklich ein Problem haben, sondern einfach, weil ihre Kultur und das was bisher für sie total normal war einfach jetzt nicht mehr passt. Und dass sie, dass da der deutsche Therapeut vielleicht nicht so ganz gut nachvollziehen konnte und dachte, die haben irgendwelche ängste oder irgendwelche Probleme, die sie selber für sich so gar nicht gesehen haben, weil die eigentlich in diesem Konflikt der Kulturen entstanden sind. Und das ist natürlich was, was wirklich, finde ich sehr wichtig ist, sich anzugucken, ob die Probleme wirklich aus einem herauskommen oder aus einer mangelnden Passung mit der Umwelt. Und das erfordert dann natürlich auch andere Strategien und Möglichkeiten, wie man dann damit umgeht. Insofern ist das was, womit ich total gerne arbeite und was ich immer wieder total spannend finde. Sowohl wenn es Ausländer sind, die in Deutschland leben, als auch Deutsche, die woanders leben. Du hast die interkulturellen und das Thema Beziehung schon angesprochen. Ich habe relativ viele Klienten, die in interkulturellen Beziehungen sind, auch mit jemandem aus einer anderen Kultur. Und da ist das natürlich ein Riesenthema. Was ich total spannend finde, ist, dass es oft so ist, wenn man mit jemandem eine Beziehung eingeht aus einer komplett fremden Kultur ist man sich relativ gut darüber bewusst ist, dass Kultur ein Thema ist und dass man relativ früh schon darüber redet, auch in der Beziehung. Dass wenn man aber eine Beziehung zu jemandem führt, aus einer vermeintlich recht ähnlichen Kultur, man darüber nie so redet oder nicht so viel redet, und das mag zwischen zwei Leuten aus Deutschland der Fall sein, die vielleicht in zwei ganz familiär unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen sind oder auch zum Beispiel bei manchen meiner Klienten Menschen, die ein Deutscher und ein Österreicher oder Schweizer, die ja vermeintlich auch recht ähnlich sind, gerade wenn man im Ausland lebt, vielleicht in einer ganz fremden Kultur, ist man sich ja dann doch, hat man doch den Eindruck, dass man sich eigentlich sehr ähnlich ist. Oder bei meinen digitalen Nomaden Freunden kenne ich das bei einigen, wo dann jemand Australien aus Australien mit jemandem aus England zum Beispiel eine Beziehung führt, die sprechen beide Englisch haben beide die britischen britischen Vergangenheit den Commonwealth. Da ist ganz viel Gemeinsamkeit da. Und trotzdem zeigt sich da in so vielen Feinheiten, wie unterschiedlich diese Kulturen sind. Und das führt natürlich häufig zu Konflikten, dann auch in der Beziehung.

 

00:14:40

Carolin: Ich glaube, das ist aber auch nicht nur in Beziehungen, sondern allgemein. Wir Menschen, wir verstehen uns eigentlich mit allen Leuten irgendwie, ob ich jetzt mit jemandem in China spreche oder mit jemandem in Nordamerika oder Timbuktu. Wir verstehen alle lächeln, und wir verstehen Augenkontakt und so was ganz die Basics. Aber in den Feinheiten kommt dann letztendlich die Probleme zum Tragen. Deswegen gibts natürlich auch so Coachings z.B. für Expats, die in Japan Business machen, weil es da bestimmte Feinheiten gibt, wo man sonst ganz schnell auf imaginäre Wände schritt.

 

00:15:10

Sonia: Ja, gerade Japan ist ein sehr schönes Beispiel. Wo wirklich auch dieser Unterschied zwischen der eher individualistischen oder kollektivistischen Kultur macht natürlich ein Riesenunterschied oder zwischen unserer Sichtweise und der von Chinesen zum Beispiel oder bestimmten anderen Gruppen ist natürlich schon zum Teil komplett anders. Ich finde, so wie wir das immer erleben im Alltag wenn wir reisen, sind es ja doch eher die kleinen Sachen, die ganz lustig sind oder die ganz amüsant sind. Also die Toilette ist eine ganz andere, und dann ist da ein Schild, das man nicht auf der Toilette hocken soll oder so, weil das halt in anderen Ländern üblich ist. Und wenn man es das erste Mal sieht, ist das ganz lustig. Irgendwann passt man sich dann an und freut sich dann, dass man sich den Hintern mit dem Wasserstrahl auch sauber machen kann und denkt warum macht das eigentlich die ganze Welt? Es ist doch viel, viel hygienischer. Aber das sind natürlich so Kleinigkeiten, die wir beim Reisen sehr häufig erleben, die manchmal unser Leben auch ein bisschen komplizierter machen. Ich sage gerne, dass ich mal in meinem Leben richtig gut darin war, eine Tür aufzuschließen. Es war so eine dieser Automatismen, diese Dinge, die ich einfach ich wusste, wie das geht. Ich konnte ich wusste, wie das geht

 

00:16:12

Carolin: Kann man da gut drin sein.

 

00:16:14

Sonia: Ja, ohne darüber nachzudenken, wusste ich, wie man den Schlüssel drehen muss, damit man die Tür aufschließt und die Tür wieder schließt. Und dann habe ich irgendwann längere Zeit in Australien verbracht, und dort ist es andersherum. Und erstens macht das für mich überhaupt keinen Sinn, weil warum sollte man zur Tür hin die Tür aufschließen? Das verstehe ich einfach nicht. Aber tatsächlich führt das jetzt dazu dass ich ständig vor Türen stehe und nicht weiß, wie ich den Schlüssel drehen muss, um auf oder zuzuschießen. Und da ich halt doch recht häufig vor verschiedenen unterschiedlichen Türen stehe, ist das zwar eine Kleinigkeit und gleichzeitig etwas, wo ich merke, dass das, was früher für mich absolut selbstverständlich war, es heute nicht mehr ist.

 

00:16:52

Carolin: Das ist natürlich auch ein gutes Thema, was wir später auch nochmal ansprechen werden diese kleinen Anstrengungen und Überforderung. Ich würde jetzt nicht unbedingt als Kulturschock bezeichnen, sondern etwas, was das tägliche Leben einfach als Folge von einem Kulturschock vielleicht noch mal schwieriger macht. Und es sind, wie du schon sagt, auch manchmal wirklich Kleinigkeiten, in denen sich andere Länder unterscheiden. Das kann zum Beispiel der Verkehr sein. Ich weiß noch in Indien. Was mich lange Zeit sehr, sehr gestört hat, ist, dass die Leute einfach wegen jedem Ding hupen. Selbst wenn sie im Stau stehen, hupen die Leute, als ob das irgendwas daran ändern würde. Aber das ist für die im normalen Verkehr so eine Art GPS. Wenn du nicht hupst gibt’s Unfälle, weil die bemerken sich dann gegenseitig, möglicherweise gar nicht so sehr. Oder natürlich auch so Humor. Worüber lachen die Leute? In Lateinamerika ist es unglaublich viel über Sexualität. Das ist der Tanz, und das ist dieses Stereotyp, was wir vielleicht auch von den Latinos haben. Während in Indien, das immer sehr viel um Spiritualität geht und so die Dinge des Alltags. Und ich habe auch für mich feststellen müssen, dass ich persönlich jedenfalls die Rückmeldung bekommen habe, dass ich in Deutschland schon halbwegs witzig bin, zumindest auch mal einen Witz machen kann, über den die Leute auch lachen. In anderen Ländern ist es dann aber wiederum nicht so. Und was das mit einem selbst auch so macht. Diese Rückmeldung, die man von anderen bekommt. Ich glaube das auch das, womit viele Expats und Nomaden auch Probleme haben einfach, dass man durch diesen Spiegel, den die Gesellschaft einem vorhält, dass man manchmal gar nicht mehr weiß Wer bin ich denn jetzt eigentlich? Und wie passe ich hier überhaupt rein? Man ist dann nicht mehr in seiner heimischen Kultur, und man passt aber auch nicht wirklich in diese neue Kultur hinein. Und bei vielen Leuten, mit denen ich spreche, vielen Klienten, die auch wirklich als Expats irgendwo anders leben, und das manchmal auch schon jahrelang. Manche dieser Feinheiten kann man einfach auch nicht lernen. Man kanns beginnen zu verstehen, aber das ist so, als ob ich jetzt versuchen würde, Schweizerdeutsch zu sprechen, es vielleicht halbwegs hinkriegen. Aber ich werde nie wie jemand sein, der das mit der Muttermilch aufgesaugt hat.

 

00:19:02

Sonia: Absolut. Ein Thema, worüber du ja auch immer wieder gerne nachdenkt, glaube ich, ist die Frage wie deutsch bist du denn eigentlich? Und vor allem wie zeigt sich das dann, wenn du zurück nach Deutschland kommst? Ich hab ja oft den Eindruck, dass ich, wenn ich im Ausland bin, Deutscher bin oder mich noch nie so deutsch gefühlt habe wie seitdem ich von dort aus Deutschland weg bin und dann im Ausland merke Ich bin halt doch pünktlich zum Beispiel und werde von meinen Freunden da auch gerne dafür aufgezogen. Aber wenn man dann nach Deutschland zurückkommt, ist das manchmal eine ganz andere Geschichte.

 

00:19:34

Carolin: Oh ja. Also ich persönlich fühle mich dann gerne zwischen den Stühlen. Bei mir von Freunden und Familie wird eigentlich gesagt Ich bin eher so wie so eine Latina, weil ich eben nicht mehr ganz so pünktlich bin, weil ich die Sachen vielleicht ein bisschen lockerer sehe, manchmal mir nicht ganz so viele Sorgen im Voraus mache. Im Vergleich zu den Leuten, die ich in Deutschland habe, die Leute während in Lateinamerika bin ich typisch deutsch. Und dann gibts manchmal so Leute, die lassen mich eine halbe Stunde lang warten zu irgendeiner Verabredung, und ich meine, ich halte das aus das ist gar nicht das Problem. Aber bei denen werde ich halt als wirklich sehr, sehr deutsch wahrgenommen. Und wenn man dann eben nach Hause kommt, hat man natürlich so eine Art umgekehrten Kulturschock. Das hat natürlich zum einen auch damit zu tun, dass man sich selbst verändert hat oder dass man eben auch nach Hause kommt und das Zuhause sich so sehr verändert hat, dass man noch so eine Idee hat davon, wer man war und wie man in dieses ganze Gefüge hinein gepasst hat und wie bestimmte Abläufe waren. Aber da zu Hause steht die Zeit eben auch überhaupt gar nicht still. Ich persönlich habe dann häufig das Gefühl, dass ich wohl verstehe, wie die Leute ticken. Aber mit manchen Sachen, da möchte ich auch gar nicht mehr wieder hin zurück. Es wieder sich einleben in diese Kultur ist nicht unbedingt mein Ziel, sondern und das ist auch das, was ich häufig Leuten empfehle eher zu sagen pass dich an, damit du nicht total bizarr wirkst auf die Leute. Aber versuch auch das, was du von unterwegs gelernt hast, als digitaler Nomade oder als Weltreisender oder als Expat, auch einfach so ein paar Sachen für dich zu behalten? Weil Reisen ist ja auch etwas, was uns wachsen lässt. Jedes jede kleine Schwierigkeit, die wir haben, sorgt dafür, dass wir uns als Person entwickeln. Und diese kleinen Schätze sollten wir uns von unterwegs auch nicht wieder nehmen lassen, nur weil wir nach Hause kommen. Ich finde zum Beispiel immer sehr witzig in Deutschland. Ich liebe es, wenn ich wieder in Deutschland bin, in den Supermarkt zu gehen. Ich kann den Supermarkt grundsätzlich eigentlich gar nicht leiden. Ich gehe unglaublich gerne hin, und ich stehe dann mit Freuden an der Kasse. Und ich sehe diese sieben Tage Regenwetter Gesichter, die die Leute haben, und ich denke dann manchmal halt auch an den Markt, den ich in anderen Ländern sehe. Oder hier in Rom, diesen süßen älteren Herrn in dem Öko-Gemüseladen, der Witze macht mit uns. Das ist sehr anders. Und ich lache dann halt gern in mich rein, und ich schmunzel über die Kassiererin. Die halt „haben sie alles gefunden“, und ich versuch dann aber auch wirklich, meine Wesensart, das, was ich mitgenommen habe, aus anderen Ländern beizubehalten und eben möglicherweise auch ein bisschen mehr als Vorbild zu dienen. Schönen Tag. Na, viel Spaß, noch ein kleines Gespräch anzufangen und den Leuten möglicherweise dadurch auch so ein bisschen den Spiegel vorzuhalten, also mich nicht einzuleben, mich zwar anzupassen, damit ich nicht mit den Mistgabeln aus dem Dorf gejagt werde, aber trotzdem auch ein bisschen frischen Wind reinzubringen. Was findest du denn heute bizarr Sonia wenn du nach Hause kommst, was es für dich so was verstehst du vielleicht auch manchmal gar nicht mehr, oder was kommt dir komisch vor?

 

00:22:39

Sonia: Wahrscheinlich müssten wir da erst mal klären, was denn nach Hause kommen überhaupt bedeutet. Darüber kann man beim letzten Mal ja vor kurzem auch schon ausführlich gesprochen. Also wenn ich nach Deutschland komme, wenn wir jetzt mal wir sprechen ja hier auf Deutsch, also nehmen wir mal das deutsche Zuhause. Wenn ich nach Deutschland komme, dann glaube ich schon auch, dass dieses die schlechte Laune und das kurz angebundene. Und so ist schon wahrscheinlich das, was mir am meisten auffällt. Ansonsten finde ich immer es hängt extrem davon ab, von wo ich gerade anreise. Also ich kann ein Beispiel aus Frankreich zum Beispiel bringen. Ich bin regelmäßig in Paris und. Vor ein, zwei Jahren bin ich mal aus dem Land also war ich in Frankreich auf dem Land und bin dann nach Paris gekommen und fand Paris so extrem laut und hektisch und eben Großstadt. Und das nächste Mal, als ich nach Paris gekommen bin, kam ich gerade aus Hanoi in Vietnam. Und mir kam Paris so ruhig und geordnet und leise vor. Deswegen glaube ich, es hängt tatsächlich auch ganz viel damit zusammen, wo ich gerade herkomme, was ich gerade für eine Kultur vorher erlebt habe. Ich finde, es sind so oft so Kleinigkeiten, die mir auffallen. Das sind aber gar nicht unbedingt Sachen, die ich ganz bizarr finde, sondern einfach, wo ich mich erst einmal daran erinnern muss. Zum Beispiel In Australien ist es so, dass man im Café erst bezahlt. Man muss zur Theke gehen und bezahlen, und dann bekommt man sein Getränk. Das heißt, wenn man fertig ist mit dem Kaffee und Kuchen oder was auch immer, dann geht man einfach. Und ich muss mich in Deutschland immer wieder daran erinnern, dass ich jetzt nicht einfach aufstehen kann und gehen kann, sondern dass ich erst noch zahlen muss. Und das sind so Kleinigkeiten, die mir auffallen. Aber ich glaube, die schlechte Laune ist schon das, was vielleicht am meisten hängenbleibt, auch bei mir

 

00:24:17

Carolin: Auch, als ich wieder zurückgekommen bin nach Europa. Was mir sehr aufgefallen ist, ist auch, dass sich die Art des Reisens bei mir ganz stark verändert hat, je nachdem, wo ich bin. Indien ist für mich immer das beste Beispiel. Erst mal war ich da lange Zeit und Indien auch so eine Kultur ist, die sich sehr, sehr stark von der westlichen unterscheidet. Ich habe damals den Tipp bekommen von einem Inder und den trag ich mit mir jedes Mal, wenn ich in Asien bin, wenn du irgendwas wissen willst, wenn du irgendwo hin willst, frag mindestens drei Leute. Ansonsten kriegst du halt möglicherweise falsche Instruktionen, und die Leute erzählen dir irgendwas, und man muss, wenn man dort reist, halt schon gucken. Wie finde ich mein Weg? Ich muss es mehr vorbereiten, vielleicht auch. Wo will ich hin? Und als ich hier in Rom angekommen bin ich weiß noch, es ist alles so easy du musst mit niemandem sprechen. Du folgst dem Schild zur Metro, und alles ist ausgeschildert. Es ist wirklich mein Gehirn funktioniert auch so. Mein Gehirn sucht Schilder. Ich bin es gewohnt, von Kindesbeinen auf in anderen Ländern ist sowas halt nicht so. Und da unterscheidet sich meine Art zu reisen schon sehr. Weil ich muss, muss hier gar nicht so sehr mit Leuten in Kontakt treten, auch wenn ich es gerne möchte.

 

00:25:34

Sonia: Und du suchst Schilder und vor allem weißt du auch. Zumindest wenn du jetzt in Europa bist, hast du dich wahrscheinlich auf die Schilder verlassen kannst.

 

00:25:41

Carolin: richtig. Ich brauche nicht drei Schilder fragen genau, ich folge einem.

 

00:25:45

Sonia: Denn das ist ja auch was wo. Wenn irgendwie vorne am Bus oder an der Straßenbahn eine Nummer und eine Endstation dran steht, dann ist es etwas, worauf wir uns in Deutschland verlassen können. Dann ist das auch die Straßenbahn Nummer acht, die dorthin fährt oder die U-Bahn oder so. Und wenn man dann anfängt zu reisen und feststellt Moment nur, weil da eine Nummer dran steht, heißt das noch lange nicht, dass das dieselbe Nummer ist, die auf dem Fahrplan ist oder die tatsächlich dorthin fährt. Oder vielleicht fährt sie heute mal eine andere Strecke, weil heute Sonntag ist, und keiner wusste davon. Das sind schon so Sachen, wo man tatsächlich sehr lernen muss, ganz anders und flexibel damit umzugehen. Und das erlebe ich auch als entspannend, wenn ich irgendwo hinkomme, wo es wieder etwas organisierter ist. Mir ging es auch so. Als ich letztes Jahr aus Thailand nach Japan kam, und ich konnte so gefühlt aufatmen, weil die Straßen so sauber und so klar sind und die Schilder und die Menschen, und es war alles erstmal so der erste Eindruck war Oh ich kann hier aufatmen, und ich kann eine Straße überqueren, ohne jetzt darüber nachzudenken. Wann und wie überquere ich die Straße, und muss ich mich an Straßenschilder halten? Oder hat die Ampel was zu sagen? Oder ist die eher so Dekoration oder so? Da war tatsächlich mein Gefühl von Japan ist sehr deutsch. In der Hinsicht auf so einer ganz oberflächlichen ersten Ebene. Und da merke ich innerlich, dass tatsächlich in mir was sich entspannt, wenn ich in so einem Ort bin. Und dann freue ich mich aber auch wieder, wenn ich in dem Lauten, Chaotischen bin und wenn ich in Vietnam irgendwie einfach die Straße überquere und das klappt dann auch.

 

00:27:12

Carolin: In Vietnam habe ich immer gesagt, man kann blind die Straße überqueren, weil jeder ist auf dem Roller unterwegs, und jeder weicht dir aus. Die halten nicht an für dich, aber sie fahren um mich herum. Ich war jetzt 2019 im Sommer in Deutschland und hatte witzigerweise einen indischen Freund zu Besuch, und ich habe ihn vom Flughafen abgeholt und bin dann mit ihm auf der A10 gefahren. Und meistens ist es ja so, dass dann diese typischen Kommentare von Ausländern kommen oh kein Speedlimit und das ist toll in Deutschland. Wir fahren so auf der Autobahn, und er guckt mich an und er sagt oh ist das langweilig hier. Ich würde einschlafen bei dem Verkehr. Keiner grätscht einem irgendwie vorne weg. Du musst, keine Kühe auf der Straße, was weiß ich, was er gedacht hat. Aber ihm war das halt unglaublich langweilig. Und ich habe gedacht Ist es schön? Ich kann mich einfach darauf verlassen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer die Regeln genauso kennen wie ich und zum großen Teil auch befolgen. Und da gebe ich dir vollkommen recht. Es hat etwas sehr Entspannendes, und gleichzeitig glaube ich, was uns dann wahrscheinlich auch immer wieder losziehen lässt in andere Länder, die möglicherweise ein bisschen Verrückter sind oder ein bisschen weniger organisiert ist halt dieser Wunsch nach Veränderung und Wunsch, nach etwas Neuem, ne?

 

00:28:27

Sonia: Immer, dass das Vertraute, das Neue und das die Herausforderung und ich glaube, das ist der Hauptgrund, warum wir dieses Leben leben ist, das wir gern die Mischung mögen aus diesen verschiedenen Elementen. Und ich möchte. Ich würde nicht die ganze Zeit in einem ganz fremden Land leben wollen. Ich bin aber gerne mal ein paar Monate da, und dann mal wieder wo es mir vertrauter ist, und insofern kann ich auch diesen Kulturschock vielleicht als digitaler Nomade besser steuern als jemand, der einfach in ein fremdes Land zieht für einen Job oder für ein neues Leben. Ich kann mich dem mehr entziehen. Ich kann mich dem mehr aussetzen, wenn ich das möchte. Ich kann mich in meine Komfortzone zurückziehen oder eben mal in ein etwas entspannteres Land für mich, was auch immer das dann ist. Aber was sind denn so, vielleicht zum Abschluss noch deine Tipps gegen Kulturschock? Kannst du irgendwelche Sachen empfehlen unseren Hörern?

 

00:29:14

Carolin: Für mich ist es immer ein sehr interessanter Moment, wenn ich ein Land verlasse und in ein anderes weiter ziehe, und zwar nicht über Land, wenn man nur mal eben über den Grenzposten muss, sondern wirklich wenn ich ein Flugzeug nehme und möglicherweise mehrere Stunden unterwegs bin, dann ist das für mich immer so eine Phase der Vorbereitung. Also Ich erinnere mich ganz genau, als ich Vietnam verlassen habe, da bin ich nach Malaysia geflogen, und ich war vorher schon mal in Kuala Lumpur. Ich weiß ungefähr, wie die Stadt funktioniert und ich weiß dass es ganz anders ist als Vietnam. Und ich weiß noch, ich war in diesem Hotel in der Nähe vom Flughafen. Ich hatte einen sehr frühen Flug am nächsten Tag, und es gab um dieses Hotel herum überhaupt gar nichts zu tun. Ich habe mir dann tatsächlich die Zeit genommen und habe versucht, mich darauf vorzubereiten. Weil manchmal ist es so, wenn ich ein Land verlasse und ein neues sehe, dass ich das Gefühl habe. Ich bin noch im Alten Land, ich bin noch nicht im neuen Land angekommen, körperlich anwesend, aber meine, meine Seele ist noch irgendwo anders oder ist noch im Flugzeug sozusagen. Im Buddhismus gibt es ein Konzept, das nennt sich Bardo. Das ist dieser Ort, wo man sich aufhält nach dem Tod und vor der nächsten Wiedergeburt. Es ist ein Raum, in dem man wartet auf das nächste Leben, und das stelle ich mir manchmal gerne vor. Ich sitze dann da und versucht mir vorzustellen, wie wird denn mein Leben sein in dem neuen Land? Was kommt auf mich drauf zu? Welche Sprache? Wie ist die Luft? Was höre ich für Geräusche? Wie sehen die Leute aus? Manchmal steigt man ja in einem Land ins Flugzeug ein, wo die Leute alle eine helle Haut haben, und steigt aus dem Flugzeug aus und auf einmal sind sie alle dunkel und haben dunkle Augen, dunkle Haare. Oder welche Schriftzeichen sehe ich? Ich habe bei mir gemerkt, wenn ich mich darauf vorbereite, wenn ich mir versuche, das vorzustellen, und auch ganz bewusst nochmal die letzten Wochen Revue passieren lasse, kann ich mit einem Land sehr gut abschließen und kann mich auch innerlich öffnen für das nächste Land. Das finde ich daher einen sehr guten Umgang, um mich zumindest schon mal auf den neuen Kulturschock vorzubereiten. Aber die Frage ist, wie gehe ich mit einem Kulturschock um, wenn ich ihn schon hab, Sonia?

 

00:31:31

Sonia: Etwas, was ich immer wieder empfehle und auch selber als ganz hilfreich empfinde, ist sich zu überlegen, wie kann man seine Komfortzone so gestalten, dass man wirklich auch etwas Vertrautes um sich hat und sich bestimmte Nahrungsmittel kaufen oder bestimmte Abläufe haben in seinem kleinen Zuhause, dann in der Fremde, wo man sich wohlfühlt. Wenn man dann merkt, dass man dass, der Kulturschock so groß ist, dass man quasi nicht mehr verlassen möchte, weil alles so anstrengend und so fremd ist, dann finde ich, kann es total hilfreich sein, mal so ganz gezielt touristische Orte aufzusuchen. Vielleicht die Orte, die wir sonst eher vielleicht ein bisschen meiden würden. Zur Hauptzeit ins Museum gehen oder zu dem einen Tempel oder zu irgendwas anderem, wo quasi all die anderen Touristen oder all die anderen Westler vielleicht sind. Denn das sind meistens die Orte in so einer fremden Stadt, die einfach so funktionieren, wie wir sie kennen oder die vertraut sind. Und man hört wieder die Sprachen, die man kennt, und man sieht Menschen, die so aussehen wie wir. Das kann total erholsam sein, mal für ein paar Stunden so ein Ort gezielt aufzusuchen, die man vielleicht sonst eher vermeiden würde.

 

00:32:27

Carolin: Es geht also eigentlich darum, auch wieder Vertrautheit zu schaffen, dass man sich eben nicht ganz so fremd fühlt. Nicht ganz so verloren, vielleicht auch in dieser neuen Kultur, in der man ist, sondern Vertrautheit zu schaffen und auch einfach darüber zu reden mit anderen Leuten, weil man ist ja auch nicht alleine. Das darf man nicht vergessen. Wir als digitale Nomaden haben natürlich zum einen eine Community, aber man trifft natürlich vor Ort auch immer Leute. Und einfach mal darüber zu sprechen, wie schwierig das jetzt gerade ist, vielleicht auch von der vorherigen Kultur zu sprechen, wo man sich möglicherweise besser zurecht gefunden hat. Oder einfach darüber sprechen, was einem gerade fehlt. Und wir in der digitalen Nomaden Community haben natürlich auch Leute, die uns verstehen, mit dem wir darüber sprechen können. Und vielleicht hat da das Gegenüber auch ein paar gute Vorschläge irgendwelche Ratschläge parat. Und wenn es gar nicht anders geht, dann kann man sich natürlich auch an jemanden wenden, der einem professionell weiterhelfen kann, so wie du das häufig machst, oder ich. Aber generell ist es einfach erst mal wichtig, darüber zu sprechen, das Thema zu zum Thema zu machen.

 

00:33:28

Sonia: Das stimmt. Und vielleicht zum Schluss kann ich da nur den großen Appell an alle digitalen Nomaden die vielleicht zuhören richten, denn ich glaube, dass es ganz oft ein oder ganz viele der Probleme, über die wir hier auch so reden, entstehen, weil die digitalen Nomaden sich nicht so öffnen, weil sie eben vermeintlich diesen Traum verkaufen müssen und deswegen auch nicht darüber reden dürfen oder können, was denn so schwer ist, und dann oft darüber klagen, dass die Verwandten und Freunde zuhause sie gar nicht verstehen können. Ich glaube aber, dass es tatsächlich unsere Verantwortung und unsere Aufgabe auch als digitale Nomaden dass wir da einfach uns ein bisschen mehr öffnen und mehr teilen. Und eben nicht nur die schönen tollen Highlights auf Social-Media Teilen, sondern eben auch die schwierigen Momente und die Wochen, wo wir mal auch die ganze Woche das Haus nicht verlassen haben, weil wir krank waren oder weil alles zu viel ist oder weil, was auch immer gerade los ist. Und wenn wir da ein bisschen offener sind und ein bisschen authentischer und verletzlicher zeigen, können wir alle sehr davon profitieren.

 

00:34:22

Carolin: Amen.

 

00:34:25

Carolin: Das war die heutige Folge von Mit Psychologie und Laptop um die Welt. Schön dass ihr dabei wart. Wenn ihr Fragen Anregungen oder Kommentare habt lasst es uns wissen. Und wenn ihr mehr über unser digitales Nomadenleben wissen wollt vielleicht auch mal ein paar witzige Fotos sehen wollt dann schaut doch bei Instagram vorbei oder auf unserer Webseite. Bis zum nächsten Mal.

 

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